Zum Jahreswechsel

2023 war für die Schweizer Lebensmittelhersteller geprägt von hohen Kosten. Statt Entlastungen kündigte die Politik aber zusätzliche, kostentreibende Regulierungen an. Derweilen ging die Branche in den Themen Nachhaltigkeit, Arbeitssicherheit und Ausbildung mit gutem Beispiel voran.

Der Grenzschutz für Milchgrundstoffe, Mehl und Zucker sorgte 2023 in der Schweiz für eine Zunahme der Preisdifferenz gegenüber dem Ausland. Bei der lebensmittelrechtlichen Regulierung gab es punktuelle Verbesserungen, wobei aber bereits wieder Rückschritte angekündigt wurden. 2023 hat sich schliesslich gezeigt, dass die Umsetzung von zunehmend komplexen Vorschriften für KMU immer herausfordernder wird. CHOCOSUISSE und BISCOSUISSE unterstützten die Verbandsmitglieder mit Umsetzungshilfen in den Bereichen menschenrechtliche Sorgfaltspflichten, Arbeitssicherheit und Lebensmittelrecht.

Grenzschutzbedingtes Rohstoffpreis-Handicap hat sich vergrössert

Die Rohstoffpreise, welche als Folge von Pandemie und geopolitischen Ereignissen angestiegen waren, gingen 2023 im Ausland teilweise wieder etwas zurück. In der Schweiz verharrten die Preise wegen dem Grenzschutz für Agrarprodukte und Erzeugnisse der ersten Verarbeitungsstufe aber auf sehr hohem Niveau. Das hat beispielsweise beim Mehl dazu geführt, dass der Preis per Ende Jahr in der Schweiz mehr als doppelt so hoch ist wie in der EU. Dies zeigt die Wichtigkeit von korrigierenden Ausgleichsmassnahmen. Umso alarmierender ist der Entscheid einer Mehrheit der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates (WAK-N) vom Herbst 2023 zur Revision des Zollgesetzes. Mit dem Entscheid würde einer der beiden Pfeiler der Nachfolgelösung zum «Schoggi-Gesetz» zerstört. Über letzteres lief früher der Grenzschutz-Nachteilsausgleich für die Exporteure. Deren Wettbewerbsfähigkeit würde mit dem Antrag der Kommissionsmehrheit massiv geschwächt. Der Nationalrat ist deshalb aufgerufen, in den weiteren Beratungen den Antrag der Kommissionsminderheit und des Bundesrats zu unterstützen.

Der Zuckerpreis ist auf Rekordhöhe geklettert

Per 2022 hat das Parlament gegen den Widerstand von Bundesrat und Lebensmittelbranche einen absoluten Mindestgrenzschutz für Zucker im Gesetz fixiert. Die dafür von der Zucker-Lobby vorgebrachten Behauptungen («Discount-Preise», «EU ist eine Nettoexporteurin von Zucker» etc.) haben sich allesamt als falsch erwiesen. Richtig ist das Gegenteil: Der Zuckerpreis in der EU war 2023 auf einem Rekord-Hoch, und die EU war nicht Netto-Exporteurin von Zucker, sondern Netto-Importeurin. Ökologische Vorgaben in der Schweiz sind nicht höher als in der EU und werden mit zusätzlichen Zahlungen an die Rübenpflanzer entschädigt. Der absolute Mindestgrenzschutz für Schweizer Zucker ist unnötig und stärkt die Preisfestsetzungsmacht des Schweizer Zuckermonopols. Dieser Monopolmarkt ist intransparent: Nicht einmal der Bund weiss, wie hoch der Preis für das Monopolprodukt eigentlich ist. Dies zeigte Ende Jahr die Antwort des Bundesrats zur Interpellation «Welche Auswirkungen hat der Mindestgrenzschutz für Zucker?».

Agrarpolitik

Den grössten Anteil an den Herstellkosten von Lebensmitteln machen in der Schweiz die Rohstoffkosten aus. Hier haben die Schweizer Lebensmittelhersteller der zweiten Verarbeitungsstufe gegenüber der im Ausland herstellenden Konkurrenz den Nachteil, dass die Rohstoffkosten hierzulande wegen dem Grenzschutz für Produkte der Landwirtschaft und der ersten Verarbeitungsstufe sehr viel höher sind. Diese Verteuerung ist das Resultat der Schweizer Agrarpolitik. Früher wurde der Kostennachteil für die zweite Verarbeitungsstufe durch verschiedene Massnahmen ausgeglichen. Solche Ausgleichsmassnahmen erodieren aber immer mehr. Deshalb braucht es mittel- und langfristig eine Anpassung beim Agrargrenzschutz. Die vom Bund skizzierte «Agrarpolitik 2030+» ist aber ernüchternd, weil sie für dieses Problem nicht adressiert. Der Bund hat zur AP 2030+ eine Begleitgruppe ins Leben gerufen. Dort werden die Anliegen auch der zweiten Verarbeitungsstufe durch die Organisationen IG Agrarstandort Schweiz und economiesuisse eingegeben, bei denen unsere Verbände Mitglied sind.

Nachhaltigkeit

Das Nachhaltigkeits-Engagement der «süssen Branche» der Schweiz kann sich auch 2023 sehen lassen. Nebst der Umsetzung verschiedener Massnahmen auf Betriebsebene sind die Schweizer Schokoladehersteller weiterhin auch auf betriebsübergreifender Ebene auf Kurs bei der Verfolgung der Ziele der Schweizer Plattform für Nachhaltigen Kakao.

Die vom Gesetzgeber und von Kunden im Bereich der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfungs- und Berichterstattungspflichten gemachten Vorgaben sind für KMU eine zunehmende Herausforderung. Zur Unterstützung haben die Verbände CHOCOSUISSE und BISCOSUISSE deshalb für die Mitgliedunternehmen Umsetzungshilfen erstellt und Webinare durchgeführt. Mit Blick auf die Ankündigungen des Bundesrats von Dezember 2022 und September 2023 sowie die geplante Umsetzung neuer Regulierungen in der EU (vgl. EU-Entwaldungsverordnung oder die Richtlinie zu menschen- und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten) wird das Thema für die Schweizer Lebensmittelbranche aktuell bleiben. Zu den Eckpunkten der neuen EU-Richtlinie über menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten haben die gesetzgeberischen Akteure in der EU im Dezember 2023 eine Einigung erzielt. Allerdings wird es noch einige Jahre dauern, bis der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist und die Vorgaben der neuen Richtlinie im Recht der EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

Bei der europäischen Verpackungs- und Verpackungsabfallregulierung konnte nach einer Intervention u.a. unserer Verbände via unseren europäischen Dachverband CAOBISCO auf Ende Jahr eine Verbesserung vermeldet werden. Am 18. Dezember 2023 hat sich der EU-Rat auf seine Verhandlungsposition zum weiteren Gesetzgebungsprozess geeinigt. Es wird weiterhin zu prüfen sein, inwieweit die spezifischen Anliegen der Branche – beispielsweise hinsichtlich Geschenkverpackungen und Saisonartikel – im weiteren Verfahren berücksichtigt werden.

Ein Element der sozialen Dimension der nachhaltigen Unternehmensführung ist die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden. 2023 hat unsere EKAS-zertifizierte Branchenlösung Arbeitssicherheit unter anderem ein Webinar zum sicheren Umgang mit Chemikalien im Betrieb durchgeführt. Zum ersten Mal wurde zudem der alljährliche Einführungskurs in Zusammenarbeit mit der Betriebsgruppenlösung Getränke durchgeführt. Dabei ergaben sich wichtige Gelegenheiten zum branchenübergreifenden Austausch. In unserer Stellungnahme zur Revision der Verordnungen 1 und 3 zum Arbeitsgesetz betreffend die Bündelung und Präzisierung von Sorgfaltspflichten im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes forderten wir eine Beschränkung der gesetzlichen Regulierung auf das Notwendige und Sinnvolle und setzten uns für eine stärkere Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit ein.

Lebensmittelrecht und Ernährung

Im Bereich Lebensmittelrecht konnte mit dem Revisionspaket Stretto 4 in einem begrenzten Umfang eine Senkung der Handelshemmnisse erreicht werden, wofür sich unsere Verbände eingesetzt hatten (siehe unsere Vernehmlassungsantwort). Die Änderungen treten am 1. Februar 2024 in Kraft. Die 2023 erfolgten Ankündigungen des BLV zur Verschärfung der Herkunftsdeklarationspflichten für Zutaten und für Werbebeschränkungen haben unsere Verbände kritisch kommentiert. Der kürzlich publizierte Entwurf des Mandats für die Verhandlungen der Schweiz mit der EU ist – nebst der langfristigen Sicherung der bilateralen Verträge und des Marktzugangs zur EU – namentlich für die Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit relevant.

Aus- und Weiterbildung

Auch in der Lebensmittelindustrie war 2023 der Fachkräftemangel spürbar. Dies erhöht die Wichtigkeit einer zukunftsgerichteten Ausbildung der Fachkräfte (LMT und LMP). Mit dem Projekt «Foodtura 25» wird eine Totalrevision der Grundausbildung avisiert, indem das Berufsbild den zukünftigen Bedürfnissen der Lebensmittelindustrie entsprechend überarbeitet wird. Die Revision erfolgt in vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) vorgegebenen Schritten und soll 2025 in Kraft treten. 2023 konnten die Bildungserlasse finalisiert und dem SBFI zur Prüfung unterbreitet werden. Zudem wurde der Grundstein zur Neuorganisation der gemeinsamen Ausbildungskommission CHOCOSUISSE und BISCOSUISSE gelegt: Ab 2024 finden jährlich zwei Tage der Ausbildung statt, an welchem sich die Berufsbildner der Branche zum Austausch treffen.

Kontakte mit Verwaltung und Parlament

Mit Blick auf die zahlreichen regulatorischen Herausforderungen haben CHOCOSUISSE und BISCOSUISSE im zu Ende gehenden Jahr den Kontakt mit Politik und Behörden intensiviert. Eine gute Gelegenheit zum direkten Austausch zwischen unseren Mitgliedunternehmen und Behörden ergab sich beispielsweise im Rahmen unserer Generalversammlung, an welcher die Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO, Frau Staatssekretärin Helene Budliger Artieda, als Gastreferentin teilnahm. Ein direkter Austausch zwischen Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen und Parlament wurde im Rahmen eines «Genussabends» sowie des traditionellen «Schoggi-Z’Morge» ermöglicht.