Schweizer Lebensmittelherstellern droht Regulierungsflut

Den Schweizer Lebensmittelherstellern drohen neue Deklarations- und Werbevorschriften mit unverhältnismässig hohen Kosten. Das neu gewählte Parlament und die Departemente sind gefordert, auf unnötige Deklarationsbürokratie und Verbote zu verzichten.

Aus Bundesbern waren in den letzten Wochen verschiedene Regulierungsvorschläge mit Folgen für Schweizer Lebensmittelhersteller zu vernehmen. Es droht eine eine unverhältnismässige Belastung für die Schweizer Lebensmittelbranche. Gegensteuer ist nötig.

Deklarationspflichten ohne Ende

Vorschriften zur Deklaration auf Lebensmittelverpackungen verursachen Kosten und potenzielle Handelshemmnisse. Die Vorgaben müssen deshalb möglichst flexibel und eurokompetitiv ausgestaltet sein. Das Revisionspaket «Stretto 4» führt hier zu einer gewissen – wenn auch ungenügenden – Verbesserung. Aber noch bevor «Stretto 4» in Kraft tritt, plant das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bereits wieder eine Verschärfung der Pflicht zur Deklaration der Herkunft von Zutaten verpackter Lebensmittel. Das Amt argumentiert, eine entsprechende Änderung der Lebensmittelinformations-Verordnung (LIV) sei nötig, weil im Ständerat darüber gesprochen worden sei. Beratungsgegenstand in der kleinen Kammer war aber etwas ganz anderes: Es ging um eine Motion zur Herkunftsangabe offen verkaufter Lebensmittel und um eine Änderung der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenstände-Verordnung (LGV). Die Motion verlangt weder eine Änderung der LIV noch eine neue Regelung der Zutatenherkunftsdeklaration vorverpackter Lebensmittel. Offenbar will sich das Eidg. Departement des Innern (EDI), in welches das BLV eingegliedert ist, hier selbst einen Regulierungsauftrag erteilen. Diese Eigendynamik muss gestoppt werden.

Eine weitere Quelle von immer neuen Deklarationsvorschriften ist das Parlament. So führt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-N) derzeit eine Vernehmlassung zur parlamentarischen Initiative 20.424 «Flugtransporte bei Lebensmitteln deklarieren» durch. Der Vorentwurf für eine Änderung des Bundesgesetzes über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG) sieht eine weitreichend neue Kompetenz des Bundesrats für Vorschriften zur Angabe der «Transportart, insbesondere Flugtransporte» vor. Damit würde der Bundesrat die Kompetenz erhalten, künftig zusätzliche Deklarationsvorschriften auch für weitere Transportarten zu erlassen. Die betroffenen Kreise sind aufgerufen, ihre Einwände dagegen in der noch bis Januar 2024 laufenden Vernehmlassung zu erheben.

Drohende Werbeverbote

Ebenfalls aus dem BLV kommt schliesslich ein Vorschlag zur Einschränkung von an Kinder gerichteter Werbung für «ungesunde» fette, salzige und zuckerhaltige Lebensmittel. Was unter an Kinder gerichteter Werbung zu verstehen ist und was nicht (die Frage könnte sich beispielsweise bei einer Lebkuchen-Backaktion für Kinder stellen) müssten künftig Juristen im Einzelfall prüfen. Und welche Lebensmittel als ungesund gelten, würden laut dem Vorschlag des BLV die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO bestimmen. Die Bundesverfassung sieht heute keine Kompetenz des Bundes für präventive Massnahmen in Form von Werbeverboten für Lebensmittel vor. Das hindert das BLV aber nicht daran, ein Bundesgesetz vorzuschlagen, das nicht nur eine weitgehende Handlungsvollmacht des Bundesrats vorsieht, sondern implizit auch eine Kompetenzdelegation an die WHO. Sollte der Bundesrat den BLV-Vorschlag für die nächste Lebensmittelgesetzrevision tatsächlich übernehmen, müsste das neu gewählte Parlament dieser unheilvollen Entwicklung einen Riegel schieben.