Agrarpolitik: Grenzschutz schwächt die Wettbewerbsfähigkeit

Der Grenzschutz auf Agrarrohstoffen verringert die Wettbewerbsfähigkeit markt- und exportorientierter Unternehmen der zweiten Verarbeitungsstufe. Das stellt der Bundesrat in einem Bericht fest. Nun sollte er dies auch bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik (AP30+) berücksichtigen.

«Die agrarpolitisch bedingt hohen Rohstoffpreise stellen eine grosse Herausforderung für die exportorientierten Branchen dar und verringern deren Wettbewerbsfähigkeit auf den Exportmärkten. Für die zweite Verarbeitungsstufe verringern diese auch die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Inlandmarkt gegenüber Importprodukten». So steht es im Postulatsbericht des Bundesrats vom Juni 2022 über die zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik.

Mit der Motion der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) 22.4251 sollen die Vorschläge des Berichts in einer Botschaft konkretisiert werden. Diese soll dem Parlament bis 2027 vorgelegt werden. In diesem Rahmen hat das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) das Projekt Agrarpolitik 2030+ (AP30+) lanciert. Derzeit ist das BLW daran, eine Gruppe mit Interessenvertretern zu bilden, die mit beratender Funktion den Prozess der Erarbeitung der AP30+ aktiv begleitet.

Stimme der zweiten Verarbeitungsstufe darf nicht ignoriert werden

In diesen Tagen lädt das BLW die «üblichen Verdächtigen» und die Dachverbände in die Arbeitsgruppe ein. Es ist wichtig, dass dabei auch die Stimme der marktexponierten Zweit-Verarbeiter grenzgeschützter Produkte wie namentlich der Verarbeiter von Mehl, Milchpulver und Zucker gehört wird. Die gebührende Berücksichtigung der Interessen der betroffenen Unternehmen ist insbesondere mit Blick auf die klare Diagnose des Bundesrats im Postulatsbericht nötig.

Druck der Lieferanten auf verschiedenen Ebenen

Lieferanten und Erstverarbeiter von grenzgeschützten Rohstoffen machen auf verschiedenen Ebenen Druck auf die zweite Verarbeitungsstufe:

  • Die Zuckerproduzentin drückte im Parlament, zusätzlich zum bisherigen Grenzschutz, einen Mindestgrenzschutz durch. Die Kombination von Angebotsmonopol, von Mindestrohstoffanteil der landwirtschaftspolitisch geprägten «Swissness»-Regulierung und neu von Mindestgrenzschutz verstärkt die Preisfestsetzungsmacht der Monoplananbieterin von Schweizer Zucker zulasten der KMU-geprägten BISCOSUISSE-Branche.
  • Die Milchbranche verwehrt den Exporteuren der zweiten Verarbeitungsstufe im Rahmen der privaten Teil-Ersatzlösung zum «Schoggigesetz» den vollen Ausgleich des Rohstoffpreisnachteils. Die Lösung der Branchenorganisation Milch orientiert sich an der Verkäsungszulage, weshalb sie den Ausgleich auf umgerechnet 25 Rappen pro Kilogramm Milch begrenzt. Das ist weder ausreichend noch marktorientiert. Gleichzeitig werden seitens Milchpulverlieferanten Forderungen nach höheren Margen laut. Dementsprechend wird der Druck auf die Abnehmer, namentlich auf die Schweizer Schokoladehersteller, im oligopolitisch geprägten Markt erhöht.

Der Bundesrat ist gefordert

Vor diesem Hintergrund bestätigt sich der Befund des Bundesrats, dass die Unternehmen der zweiten Verarbeitungsstufe als Folge des Agrargrenzschutzes unter Druck stehen. Damit stellt sich aber auch die Frage, was der Bundesrat und das BLW zu tun gedenken, um diesem Befund bei der Weiterentwicklung der Agrarpolitik Rechnung zu tragen. Eine Diskussion ohne spezifischen Einbezug besonders betroffener Akteure wäre jedenfalls keine gute Grundlage zur Ausarbeitung einer markt- und zukunftsfähigen Agrarpolitik. Eine solche muss auch den Anforderungen einer wettbewerbsfähigen zweiten Verarbeitungsstufe Rechnung tragen.