Sorgfaltspflicht bei Verdacht auf Kinderarbeit
Bei der Umsetzung des Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» wird der Bundesrat demnächst gesetzliche Sorgfaltspflichten konkretisieren. Diese sollten möglichst praxistauglich ausgestaltet werden.
Anbieter von Produkten, bei denen ein «begründeter Verdacht» besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt wurden, müssen in der Lieferkette künftig gesetzliche Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten.
Internationale Regelwerke
KMU und Unternehmen mit geringen Risiken sind von der Pflicht zur Verdachtsprüfung ausgenommen, wobei der Bundesrat die entsprechenden Voraussetzungen noch festzulegen hat. Der Bundesrat bestimmt auch, unter welchen Voraussetzungen international anerkannte gleichwertige Regelwerke, wie insbesondere die Leitsätze der OECD, an Stelle der gesetzlichen Sorgfaltsprüfungs- und Berichterstattungspflichten treten können. Der Gesetzestext nennt dazu die Leitsätze der OECD, die Materialien verweisen auch auf das ILO Child Labor Guidance Tool for Business.
Gesetzliche Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten
Gelangen die gesetzlichen Regeln zur Anwendung, müssen die Unternehmen die Lieferkettenpolitik sowie ein System, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werde kann, festlegen. Weiter müssen sie die Risiken schädlicher Auswirkungen in ihrer Lieferkette ermitteln und bewerten, einen Risikomanagementplan erstellen und Massnahmen zur Minimierung der festgestellten Risiken treffen. Beim Erlass der näheren Vorschriften hat sich der Bundesrat laut Gesetzestext an international anerkannten Regeln zu orientieren.
Einbezug der Herkunftsländer
Auch in der EU laufen Diskussionen um gesetzliche Sorgfaltspflichten. Der europäische Süsswarenverband CAOBISCO unterstützt einen EU-weiten Ansatz, der mit den internationalen Regeln der UNO und der OECD abgestimmt ist. Allerdings ist ein begleitender Dialog mit den Kakao-Anbauländern nötig, wie CAOBISCO in ihrer Stellungnahme hervorhebt. Nur so können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen effektiven Wandel in den Anbauländern bewirken. Vor diesem Hintergrund stellen gesetzliche Sorgfaltspflichten eine gemeinsame Verpflichtung aller Akteure der Wertschöpfungskette dar. Ein vollumfänglich nachhaltiger Sektor bedingt umfassende kollektive Anstrengungen.
«Cocoa Talks»
Im Herbst 2020 hat die EU-Kommission eine Initiative zur Förderung von nachhaltigem Kakao lanciert. Diese bringt die Akteure der Kakao-Wertschöpfungskette inkl. solcher aus den Anbauländern mit Entscheidungsträgern der EU zusammen. Der Dialog wird begleitet durch technische Unterstützung für die kakaoproduzierenden Länder. In diesem Kontext findet noch bis im Juli 2021 eine Serie thematischer Multi-Stakeholder-Dialoge statt. Ziel ist unter anderem die Intensivierung staatlicher Anstrengungen in den Kakaoanbauländern zur Beseitigung von Kinderarbeit. Ein öffentlicher Bericht mit Ergebnissen wird im Herbst 2021 vorgestellt.
Entscheidende Praxistauglichkeit
In den Multi-Stakeholder-Dialogen in der EU wird auch das Thema Rückverfolgbarkeit ausgeleuchtet und in Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern von Unternehmen und von Kakaoanbauländern integriert. Die Beurteilung von Rückverfolgbarkeitssystemen hängt letztlich von deren Umsetzbarkeit vor Ort ab. Dem sollte auch der Bundesrat beim Erlass der näheren Vorschriften zur Rückverfolgbarkeit Rechnung tragen. Nachdem bereits in den Unterlagen zur parlamentarischen Beratung festgestellt wurde, dass Unternehmen nicht systematisch alle Produkte auf einen allfälligen Verdacht auf Kinderarbeit prüfen können, empfiehlt sich generell die Prüfung eines risikobasierten Ansatzes. Wichtig ist auch die Vereinbarkeit mit bestehenden Nachhaltigkeits-Engagements von Unternehmen und Multi-Stakeholder-Initiativen. Zur Sicherstellung der Praxistauglichkeit ist eine umfassende Konsultation angezeigt – dies auch mit Blick darauf, dass vor Erlass der gesetzlichen Vorschriften keine ordentliche Vernehmlassung stattgefunden hat.